Freerk Huisken, Uni Bremen 2001

"Sport und Gewalt"

5 - Thesen zur Frage der Gewaltprävention durch den Sport

Die Frage, der sich die Fachtagung widmet, verwundert. Von der "sozialen Bedeutung des Sports" ist in der Ankündigung die Rede und von seiner Rolle bei der "Gewaltprävention". Diese Sichtweise ist einem Bild von Sport entnommen, das mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Sports nur wenig zu tun hat. Wo beispielsweise das Fußballpublikum erst ins Stadion eingelassen wird, wenn es sich einer Kontrolle unterzogen hat, die den Methoden der Terroristenfahndung entspricht; wenn bei bestimmten Anlässen Teile des Publikums in Sicherheitsverwahrung genommen werden, bei nationalen Vergleichen innereuropäische Grenzkontrollen wieder eingeführt werden; wenn sich dennoch Straßenschlachten vor oder nach Wettkämpfen mit Verletzten und Toten ereignen; wenn ganze Sportbereiche zur Dopingszene mutieren; in anderen Sportarten physische und geistige Sportkrüppel gezüchtet werden und wenn - um die Aufzählung hier abzubrechen - Sportwettkämpfe selbst immer neues Regelwerk brauchen, um die Gewalt in ihnen nicht noch weiter sport- und menschenzerstörend eskalieren zu lassen, dann fragt sich schon, welche "soziale Bedeutung des Sports" hier eigentlich gemeint ist. Natürlich - und das soll nicht in Abrede gestellt werden - hat der Sport auch seine anderen Seiten: verschwitztes Joggen, VHS-Tanzkurse für die jüngere und ältere Generation oder die Radtour mit der ganzen Familie. Dennoch zeugt es von geradezu fahrlässiger Treuherzigkeit, wenn jene, den gesamten Nationalsport hierzulande auszeichnende, brutale Seite einer derart idealistischen Schönfärbung unterzogen wird. Die Absicht ist klar. Wer mit Sport Gewaltprävention leisten will, der kann von diesem Sport kein Bild brauchen, in welchem der vermeintliche Gärtner selber als der Bock dasteht.

Die Fragen, die der private, nationale und der Vereins-Sport aufwirft, lauten gänzlich anders: Woher rührt eigentliche diese, nicht selten exzessive körperliche, geistige und politische Verrohung im Sport - bei Aktiven und Passiven - hierzulande? Dazu will ich einige Thesen vortragen, deren zentrales Ergebnis jetzt schon feststeht: Mit Sport lassen sich "keine sozialen Probleme" lösen, der Sport ist ein veritables "soziales Problem".1

1. Warum sollte es dem Sport anders ergehen als allen anderen Bereichen in dieser Gesellschaft? Alle haben sie ihren Systemstempel erhalten. Das Produzieren, Verteilen und Konsumieren von Gütern hat kapitalistisch zu erfolgen. Das Gesundheitswesen nimmt Maß an funktionaler und kostengünstiger Brauchbarkeit der Bürger für die Arbeitswelt. Die Erziehung schwört den Nachwuchs auf die Marktwirtschaft und die demokratische Form von Herrschaft ein. Das Zusammenleben der Menschen soll möglichst als "Keimzelle" - Familie genannt - organisiert werden, der dann die Reproduktion des Volkskörpers obliegt. Usw.

Dem Sport geht es in der Tat nicht anders. Der Systemstempel, der ihm aufgedrückt wird, hat dazu geführt, dass es bei den "Leibesübungen" nur noch selten allein um den Spaß an Bewegung und körperlicher Geschicklichkeit oder um Freude am puren sportlichen Wettstreit geht. Die gesellschaftliche Funktionalisierung des Sports hierzulande hat alle Sportarten und alle Sportbereiche erfaßt. Sport ist Geschäft. Vereine organisieren sich als AGs, Sportler werden als Werbefläche vermietet und TV-Monopolisten machen den Fußballkonsum zum Luxusartikel. Dies alles und einiges mehr ist hinlänglich bekannt. 2 Doch ist dies längst nicht alles.

Darüber hinaus hat sich das Sportleben als ein gesellschaftlicher Bereich etabliert, auf dem brutale Ehrfragen ausgetragen werden, auf dem der Selbstbewußtseinskult blüht, der zur Kompensation privater Mißerfolge herhalten muß und auf dem sich Rassismus, Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit austoben. In seiner hiesigen Ausgestaltung - so lautet meine Behauptung - stellt das Sportleben für all diese Unarten sogar ein adäquates und erwünschtes Betätigungsfeld dar.

2. Früh schon setzt der Unfug ein, in der eigenen Physis - der vorhandenen oder der gezüchteten - ein Mittel zu sehen, um sich als ganz besonders anerkennenswertes Wesen zu präsentieren. Dann taugt das Bodybuilding dazu, im Aufpumpen von Muskeln ein Indiz zumeist maskuliner Vortrefflichkeit und Überlegenheit zu sehen. Und dann wird das Erlernen von Kampfsportarten dazu hergenommen, um über die demonstrierte Fähigkeit zum Ausführen tödlicher Schläge Respekt einzufordern. Wer denn gar als Individuum in dieser Bornierung ziemlich aufgeht, der hat aus den Ratschlägen, die ihm seine Eltern früher erteilt haben - er solle sich doch nicht alles gefallen lassen -, längst ein Lebensprinzip gemacht. Jeder Dissens, wenigstens jeder Dissens im privaten Bereich wird dann gleich mit Gewalt ausgetragen; nicht umsonst hat sich so ein Mensch selbst als Waffe zugerichtet. Ihm kann keiner mehr "dumm" kommen, heißt sein dumm-brutales Lebenscredo. Das ist zwar eine Einbildung, denn jede uniformierte, also staatliche befugte Gewalt lehrt auch ihn schnell die Mores, die Sitten des bürgerlichen Rechts. Doch unter Seinesgleichen gilt er etwas, sofern er denn seine Fähigkeit und Bereitschaft wie Rambo aufzutreten, ab und zu unter Beweis stellt. Gelegenheiten dafür schafft er sich in dem Maße, wie sein Selbstbewußtsein sie braucht.

Dieser ebenso verrückte wie brutale Selbstbewußtseinskult findet sein bevorzugtes Material im sportlichen Wettkampf. Dort ist der Vergleich in Sachen Kraft, Schnelligkeit, Geschicklichkeit oder Ausdauer, den unser Rambo immer erst suchen muß, von vornherein der ganze Zweck des Sportereignisses. Es geht ums Gewinnen und nicht ums Dabeisein - wie die verlogene Parole des Baron de Coubertin glauben machen will, die das Gewinnenwollen zu diskreditieren gedachte. Warum eigentlich? Denn es gibt am sportlichen Wettkampf mit seinen Siegern und Verlierern erst einmal gar nichts auszusetzen. Dass sich Sieger freuen und Verlierer ärgern, gehört zur Sache dazu. Das ist deswegen (bzw. solange) ein harmloses Vergnügen, weil das Resultat des Wettkampfs, im Unterschied zur Konkurrenz um Noten, Arbeitsplätze und Einkommen singulär und reversibel ist. Nach dem 100m-Lauf ist der Fall erledigt. Der Sieger ist eben nur Sieger in diesem gerade absolvierten Wettlauf und der Verlierer ist gleichfalls nur Verlierer im Schnelllauf. Beim nächsten Lauf kann es zu einem anderen Resultat kommen. Für nichts sonst haben solche Siege und Niederlagen eine Bedeutung. Es sei denn - und hier beginnt bereits die Denaturierung dieser "harmlosesten Nebensachen der Welt" - ,mit dem Vergleich der schnellen Beine ist bereits etwas verbunden, was mit diesem Sportvergleich gar nichts zu schaffen hat. Und damit sind wir bei einer Unart, die fast vollständig durchgesetzt ist: Eine die Konkurrenz im gesellschaftlichen Leben beherrschende falsche Deutung von Siegen und Niederlagen hat längst auch die Abteilung Sport und Spiel ergriffen. Derzufolge sind Sieger nicht 2 Sekunden schneller gelaufen als ihre Mitstreiter, sondern Siegertypen. Diese Unart, von der Differenz in der sportlichen Leistung auf Eigenschaften einer Person zu schließen, das Ergebnis des singulären Vergleichs ("Ich habe gewonnen.") in eine Bewertung des Subjekts ("Ich bin ein Sieger!") hochzurechnen, macht aus sportlichem Wettstreit Bewährungsproben für die an ihm beteiligten Personen und ihr Selbstwertgefühl. Deren Ergebnisse - so geht die allseits leider ziemlich geteilte Einbildung weiter - strahlen dann weit über den Sport hinaus: Der Sieger kommt an, hat Schlag bei Männlein und Weiblein, ist als Siegertyp auch ganz jenseits des Sports geschätzt und geehrt; natürlich nur bei denen, die jenen albernen vorgegebenen Maßstab, die Menschen nur an vorgefundenen oder angezüchteten Naturkräften vergleichen, selbst akzeptieren. So ein eingebildeter Siegertyp möchte selbst und anderen dann als jemand gelten, der wirklich mehr kann und mehr ist, als er beim Laufen, Hüpfen oder Radstrampeln gerade geleistet hat. Das stimmt natürlich nicht; selbst wenn durch die finanzielle Honorierung von Sportkrüppeln wie Becker, Ulrich und Co. der Eindruck erzeugt wird, es sei so. Für die Verbreitung solcher Illusion sind die paar Sportmillionäre allemal gut.

Und mit dieser Illusion beginnt dann jenes Verhängnis, das Siege zur Notwendigkeit werden läßt, weil die Einbildung von sich als der überlegenen Person, die über Kraft und Schönheit zu Macht und Reichtum gelangt, gepflegt werden muß. Dafür sind dann schon mal wieder ziemlich alle Mittel recht, die mit der Sportdisziplin selbst nichts zu tun haben (Fouls, Psychokrieg, Bestechung, Doping...). Verlierer gelten sich und anderen umgekehrt als Versager, obwohl sie bloß einen Wettkampf verloren haben. Eigentlich wenigstens. Im gesellschaftlichen Psycho-Ranking haben sie mehr verloren: Selbstwertgefühl, das erstrebte Gefühl, ein nach gültigen Vergleichsmaßstäben wertvoller Mensch zu sein, weil andere als Unterlegene kenntlich werden.

3. Wo im sportlichen Wettstreit in der Regel immer noch das Siegesglück wechselt, bleibt es beim "Ernst des Lebens", im praktischen Alltag mit seinem Geldverdienen, Haushalten oder Arbeitsuchen ziemlich gleich verteilt. Für die meisten Menschen fällt hierzulande die objektive Bilanz - wenn sie sich nicht ständig selbst belügen - dauerhaft und chronisch ziemlich mager aus. Aber leider ist dennoch die Neigung, sich für Mißerfolge und nicht aufgegangene Lebensperspektiven selbst verantwortlich zu machen, viel größer als das Interesse, diesem Prinzip der hiesigen Ökonomie mit seiner hübschen Eigentumsverteilung einmal auf den Grund zu gehen. So kommen Menschen denn auf die Idee, kompensatorisch wenigstens am Erfolg anderer partizipieren zu wollen und darüber ihrem trostlosen Leben am Samstag etwas Sonnenschein zu verpassen. Kurz: Sie werden Fans - was bekanntlich die Abkürzung von "Fanatikern" ist. Und das werden sie schnell, wenn es darum geht, in den Siegen ihres Vereins Ersatzerfolge für eigene Mißerfolge zu sehen. Das beginnt mit dem lokalen Vereinspatriotismus, nach welchem die Menschen sich plötzlich in "Sechsziger", "Bayern" oder "Schalker" sortieren und am Wochenende entsprechend kostümiert auftreten, um aus der so hergestellten unbedingten Treue zum Verein, das Recht abzuleiten, von diesem auch entsprechend mit Siegen bedient zu werden. Allerdings bricht sich diese Gleichung, dass nur der eigene Verein ein Recht auf Siege hat, nicht nur an der gleichlautenden Einbildung der Fans des Konkurrenten, sie geht auch häufig genug gar nicht auf. Der Sport selbst interessiert dabei ohnehin nur am Rande: Das interessierte Wälzen von Schuldfragen steht im Mittelpunkt. Und Schuldige werden bei Punktverlust schnell gefunden: z.B. Schiedsrichter, Trainer, Management oder die faulen "Kicker", bei denen ihnen eine "Über"-Bezahlung nur nach der Niederlage als Vergleichsmaßstab einfällt.

Dieser Fanatismus muß gelegentlich sogar im Fan-Block mit Gittern nach Euro-Norm eingesperrt und von Sozialarbeitern betreut werden. Überdies wird er ständig und gar nicht zufällig der Kumpanei zum Rechtsextremismus verdächtigt; weswegen - dies an die Fachleute - z.B. der FC St.Pauli überhaupt nur als Ausnahme gehandelt werden kann. Der fließende Übergang vom "treuen Publikum" zum "Hooligan" liegt ganz allein im Umgang mit dem eingebildeten Recht auf Sieg, der dem "eigenen Verein" angedichtet wird. Die "Hooligans" sind jene Fans, die es auf ihren Sitzen nicht mehr aushalten und statt dessen selbst zwecks des Genusses von Ersatzerfolgen ihre Ersatzsiege herstellen wollen. So verlegen sie denn das Geschehen, jetzt völlig separiert von jedem mehr oder weniger kunstvollen Balltreten, nicht selten gleich vor das Stadion und vermöbeln gegnerische Fans oder werden vermöbelt. Diese Gegner sind dann nicht nur Gegner, sondern jene, die ihnen das Recht auf Siege ihrer Fußballheimat bestreiten wollen. Das rassistische Vokabular auf den Tribünen, das sich eben nicht nur an farbigen Spielern der Fremdmannschaft austobt, spricht Bände. Die Sortierung in ihre Vereine, die den Sieg verdient haben, weil es ihre Vereine sind, und in minderwertige, denen der Sieg nicht zusteht, bricht sich hier in einer Weise Bahn, dass ihr nur noch mit Hundertschaften gut gerüsteter Ordnungshüter beizukommen ist.

4. Bei Spielen der Nationalmannschaften wird das Volk zum "Fan" und der "Hooligan" zu seiner Speerspitze - es sei denn, den Nationalisten im Fan-Club 'Deutschland' leuchtet das nationalistische Argument ein, dass es Deutschlands Ansehen schadet ist, in Frankreich während eines Tourniers Polizisten tot zu schlagen. Es trennt sie also wirklich nicht viel - was sich an der bereitwilligen Befolgung der Aufforderungen von Sportfunktionären an das Publikum, den 12. Mann auf dem Platz zu stellen, ebenso ablesen läßt wie am beleidigten Kommentar der BILD oder SZ, wenn "unsere Kicker uns auf dem Rasen Schande" gemacht haben, weil sie eben nicht einfach nur ein Spiel gegen Bessere verloren, sondern Deutschland um das gebracht haben, was Deutschland auch auf dem Felde des Sports zusteht: Ehre und der Ruhm, immer zu den Besten auf der Welt zu gehören. So will das die nationale Sportpolitik und danach sehnt sich der deutsche Nationalist - ob Sportanhänger oder nicht. Dass Sportberichterstattung dem Vokabular nach immer ein Stück Kriegsberichterstattung ist, fällt zwar gelegentlich kritischen Feuilletonisten auf. Weniger fällt ihnen auf, dass an Siegen des Nationalteams in der Tat immer ein wenig die Befindlichkeit der gesamten nationalen (Volks-)Mannschaft hängt, diese sich in deren Siegen sonnt, weil sonst bei ihnen zumeist wenig Sonne durchscheint; und dass dieses Muster, in den Erfolgen der Nation immer ein wenig den eigenen Erfolg zu sehen, obwohl bzw. gerade wenn - und jetzt bin ich nicht mehr beim Sport - die meisten nationalen Erfolge an der ökonomischen, politischen und militärischen Front auf der erfolgreichen Ausnutzung von Heimmannschaften basieren. Aber zur Kompensation dieser Lage gibt es ja gerade fürs Volk neben Brot die Spiele.

5. Der vergesellschaftete Sport - so läßt sich resümieren - ist also in seiner privaten, vereinsmäßigen und national organisierten Form einer der "Sümpfe", in denen der Selbstbewußtseinskult mit seinem Bedürfnis, andere ihre Unterlegenheit spüren zu lassen, der Rassismus und der Nationalismus gedeihen und sich kompensatorisch austoben dürfen, sofern denn die nationale Ordnung nicht durch Gewalt gestört wird.

Wenn nun ins Zentrum einer Debatte das Verhältnis von "Sport und Gewalt" gerückt wird, dann steht damit folgendes fest: Einer kritischen Betrachtung werden weniger falsche Stellungen und Urteile von Sportfans über sich selbst, über die Ursachen ihres alltäglichen Ärgers und Scheiterns, über das In- und Ausland, über Staat und nationale Politik unterzogen, sondern störende Auswirkungen der gewalttätigen Praktizierung der genannten Fehlurteile. Nicht der Selbstbewußtseinskult gilt dann als das Ärgernis, sondern nur, wenn der Macho sich seine Höherwertigkeit vermittels eines halben Totschlags bestätigt; nicht die Ausländerfeindlichkeit auf deutschen (Sport-)Gefilden wird kritisiert, sondern nur, wenn deren gewaltsame Umsetzung deutsches Ansehen und deutsche Green-Card-Politik stört; nicht der deutsche Nationalstolz wird angegriffen, sondern nur, wenn er in Straßenschlachten oder faschistischen Gesängen über den Abschaum, den der Gegner darstellt, über die Stränge schlägt.

Die laufende Gewaltpräventionsdebatte, die um "bewegungsbezogene Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen" 3 kreist, befragt den Sport denn auch nur auf seine sozial-integrativen Wirkungen. Der unauffällige Anerkennungswahn, der unauffällige Rechtsextremismus, der unauffällige Nationalismus, der sich in den gewohnten Bahnen des deutschen Alltags - von der Arbeit über Familienerziehung, den Stammtisch bis hin zur Wahl etablierter Parteien - bewegt, ist das gesellschaftspolitische Anliegen dieser Debatte. Dafür werden Jugendlichen Angebote in Zeit und Raum gemacht, "sich körperlich auszutoben, 'überschüssige Kräfte' abzubauen, keinen Frust oder Langeweile aufkommen zu lassen".4 Denn - so wird zynisch ergänzt - der "Sport ist für viele Jugendlichen und gerade auch für auffällige junge Männer oft das einzig übriggebliebene Erfahrungsfeld, auf welchem sie Erfolg [in der Randale], Selbstbestätigung [beim Fertigmachen eines Gegners], positives Gruppenerlebnis [im Fan-Block] mit Anerkennung und Gruppenerfolg [durch ihresgleiches] erfahren können." 5 All diese geistigen und praktischen Roheiten, die im Sportleben zu beobachten sind, werden also weiter benutzt, nur eben ohne Störung der öffentlichen Ordnung durch illegitime Gewalt. Den Hütern der legitimierten Gewalt soll sportsozialpädagogisch unter die Arme gegriffen werden. Dass junge Menschen - Mädchen wie Jungen gleichermaßen - auf keinen anderen gesellschaftlichen "Erfahrungsfeldern" zu Erfolgen kommen, dass gilt nicht als der Skandal. Kompensation von chronischer Erfolglosigkeit ganzer Teile der heranwachsenden Generation soll schon sein - nur eben in gesitteter Form. Und so werden Projekte initiiert, mit "viel Bewegung" und "Abenteuerspielen", die zwar den Körper ermüden mögen, aber keinen einzigen falschen Gedanken aus dem Kopf vertreiben. 6

Noch einmal anders resümiert: Wenn "wir wieder stolz auf Deutschland" sein sollen (Schröder, Fischer, Stoiber, Merkel, Meyer...), dann darf man sich nicht wundern, dass deutsch erzogene Jugendliche in privat und national veranstalteten Sportszenarios ein Feld entdecken, an deutschen Erfolgen wenigsten ideell zu partizipieren - andere Felder sind für sie in der besten aller Wirtschaftsformen eben zumeist auch nicht vorgesehen. Diese Abteilung nationalpolitischer Hygienewirkung und nationalistischer Identitätsstiftung mit ihren psychologischen und vereinspatriotischen Unterabteilungen gehört zu Deutschland dazu, ist erwünscht, soll gepflegt werden - nur eben gepflegt, also gewaltlos.

1 Zu den Fragen der Entstehung von "Jugendgewalt", Rechtsextremismus und Nationalismus verweise ich auf zwei Publikationen von mir: "Jugendgewalt", Hamburg 1996, und "Brandstifter als Feuerwehr: Die Rechtsextremismuskampagne", Hamburg 2001 2 Hinweise darauf finden sich auch in den Publikationen von G.A.Pilz. 3 Der Begriff der "Gewaltbereitschaft" verdeutlicht diese unhaltbare theoretische Trennung der Gewalt von den Anliegen, Motiven und Zwecken, für die sie jeweils eingesetzt wird. "Gewaltbereitschaft" für sich gibt es nicht. Immer ist Gewalt Mittel für - zumeist - ärgerliche Zwecke. Es fällt ja auch keinem ein, die weltweit laufende Terrorbekämpfung mit einer inhaltsleeren und grundlosen "Gewaltbereitschaft" von Erwachsenen zu begründen. 4 G.A.Pilz, Bewegung, Spiel, Sport als Bausteine einer gewaltpräventiven Jugendkultur, S.16 (aus: www.erz.uni-hannover.de) 5 G.A.Pilz, S.9 (Einfügungen in Klammern von FH) 6 Es ist denn auch kein Zufall, dass viele dieser Projekte an die Abenteuerpädagogik von Wehrsportgruppen und der HJ erinnern. 6

1

6

1